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Katastrophenplan Atomkrieg

3. Januar 2025

Die militärischen Spannungen im Umfeld des Ukraine-Kriegs eskalieren in den letzten Wochen nochmals, wie die Angriffe mit US-ATACMS-Raketen auf russisches Staatsgebiet, und die russischen Angriffe mit der neuen nuklearfähigen Orestnik-Mittelstreckenrakete seit Mitte November anzeigen.

Im Rahmen der Aufstellung des Operationsplans Deutschland der Bundeswehr soll die Bundesrepublik gesamtgesellschaftlich auf die Möglichkeit eines bewaffneten Konflikts mit Russland eingestellt werden. Die Bundesregierung verspricht dafür öffentliche Information und Transparenz (vgl. u.a. die Einlassungen des Sprechers des Bundesministeriums für Verteidigung in der Bundespressekonferenz vom am 22.11.2024). Wohl im Rahmen dieses Operationsplans fordert der Städte- und Gemeindebund nun „bessere Vorkehrungen zum Schutz der Bevölkerung im Kriegsfall“ und „für den Schutz der Bevölkerung vor kriegsbedingten Gefahren“. Darunter verstehen Entscheidungsträger auf Bundes- wie kommunaler Ebene offenbar die Indienstnahme und den verstärkten Bau von Bunkern. Die Bürger der Stadt Leipzig verdienen in diesem Kontext Transparenz über die konkreten Folgen einer solchen möglichen militärischen Auseinandersetzung, sowie darüber, welche realistische Möglichkeiten die Pläne von Bund und Kommunen vorsehen, sie vor den Konsequenzen einer solchen kriegerischen Auseinandersetzung zu schützen. [1]

Im Jahr 2020 hat sich Greenpeace bereits auf Grundlage des NUKEMAP-Modellprojekts von August Wellerstein (USA, 2012-2020) mit dem Szenario der Folgen eines Atomwaffenangriffs auf die Städte Berlin, Frankfurt/Main und Büchel auseinandergesetzt. [2] Für Leipzig gibt es eine erste wissenschaftliche Bewertung des Szenarios eines Atomwaffenangriffs noch nicht. Realistisch erscheint die Möglichkeit, dass im Anfangsstadium eines militärischen Konflikts der Flughafen Leipzig/Halle angegriffen wird, um seine Rolle als potentielles logistisches Zentrum für NATO-Militärtransporte auszuschalten. Als Wirkungsgrad der Waffe kann z.B. die maximale Payload einer k720 „Iskander“ (50 kt TNT Äquivalent), sowie die durchschnittliche Payload der neuen Mittelstreckenrakete „Orestnik“ (200 kt TNT Äquivalent) angenommen werden.

Davon ausgehend, bitten wir den Oberbürgermeister um die Beantwortung folgender Fragen:

1. Welche unmittelbaren Folgen für das Gebiet der Stadt Leipzig hätte ein Angriff auf den Flughafen Halle/Leipzig mit einer Atomwaffe des Äquivalents von a) 50 kt TNT Äquivalent, b) 200 kt TNT Äquivalent? Für beide Fälle: Welche Zerstörungen erstens hypothermischer Natur, zweitens der Druckwelle und drittens der sogenannten ersten Radiationswelle („Sofortstrahlung“) würden in welchem Radius auftreten? Wir bitten um grafische Darstellung der Annahmen der Stadtverwaltung auf einer Karte.

2. Welche Anzahl von Opfern wären zu erwarten? Was wäre die Zahl der unmittelbar anzunehmenden Todesopfer auf dem Gebiet des Flughafens Leipzig/Halle? Welche Todesopfer und Verletzten wären unmittelbar insbesondere in den dem Flughafen benachbarten Stadtteilen von Leipzig (Nordwest und Nord) zu erwarten? Was wäre die Zahl der unmittelbar anzunehmenden Todesopfer und Verletzten im gesamten Gebiet der Stadt Leipzig?

3. Welche Folgen hätte ein solcher Angriff für das Gebiet der Stadt Leipzig innerhalb von 24 Stunden? Welche Ausdehnung hätte die Zone des nuklearen Fallouts? Wir bitten auch hier zwecks Veranschaulichung um eine grafische Darstellung.

Wie viele weitere Personen würden in den 24 h nach dem Angriff sterben? Wie viele Betten wären in einem solchen Falle für die Versorgung von Verletzten im Gebiet der Stadt Leipzig vorrätig? (unter der Annahme, dass diese Kapazitäten durch den Einsatz nicht selbst unmittelbar in Mitleidenschaft gezogen würden) Wieviel medizinisches Personal könnte (deren eigene Unversehrtheit vorausgesetzt) innerhalb Leipzigs für einen solchen Fall mobilisiert werden? Welche medizinischen Ressourcen wären zur Behandlung von Verstrahlungen und anderen A-Waffen-spezifischen Verletzungen unter der Leipziger Zivilbevölkerung vorhanden?

4. Welche mittelfristigen Auswirkungen hätte dies auf das Gebiet der Stadt Leipzig? Welche Ausbreitung und welche Auswirkungen hätte die Spur des Fallouts bei einer in Leipzig meist vorhandenen Westwind-Luftströmung? [3]

Welche Infrastrukturen des Verkehrs und der Verwaltung der Stadt Leipzig wären bei diesem Einsatz wie stark beeinträchtigt? Wäre nach der Maßgabe der Stadtverwaltung die Versorgung der Stadt mit Lebensmitteln in den folgenden sieben Tagen nach dem Angriff zu gewährleisten? Gibt es für die administrative Reaktion und für die oben genannten weiteren Fragen eine konzeptionelle Grundlage der Stadtverwaltung?

5. Welche Vorkehrungen trifft das Dezernat Umwelt, Klima, Ordnung und Sport, um die Verwaltung und Einwohner für den militärischen Konfliktfall vorzubereiten, die die Maßgaben des Bundeswehr-Operationsplans Deutschland zu implementieren bzw. aktiv zu begleiten?

6. Wie viele Schutzräume stünden in Leipzig potentiell zur Verfügung, um effektiven Schutz gegen einen Angriff mit einer oder mehreren Atomwaffen zu bieten? Wie viel Prozent der Leipziger Bevölkerung könnten damit voraussichtlich geschützt werden? Welche infrastrukturellen Vorhaben wären nötig, einen effektiven Schutz für annähernd 100 % der Leipziger Einwohnerschaft zu gewährleisten?

7. Verfolgt die Stadtverwaltung Leipzig den effektiven Schutz von (annähernd) 100 % der Leipziger Bevölkerung durch die Schaffung von Schutzräumen, wie offenbar vom Deutschen Städte- und Gemeindebund gefordert?

 

Quellen und Anmerkungen:

[1] vgl. https://www.morgenpost.de/politik/article241845924/Gemeindebund-Stillgelegte-Bunker-wieder-in-Betrieb-nehmen.html

[2] https://www.greenpeace.de/publikationen/s03021_gp_auswirkungen_atomwaffen_d_studie_07_2020_fly_fin_neu.pdf

[3] Für eine Vergleichbarkeit könnten die Grundannahmen der unter [2] zu findenden Greenpeace-Studie für die Fälle Frankfurt/Main und Berlin zugrunde gelegt werden.

 

Vorlage im Ratsinformationssytem:

https://ratsinformation.leipzig.de/allris_leipzig_public/vo020?VOLFDNR=2023121&refresh=false

 

Anfrage herunterladen:

https://ratsinformation.leipzig.de/allris_leipzig_public/wicket/resource/org.apache.wicket.Application/doc3980773.pdf

 

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